Das christliche Fest Ostern gehört zu den ältesten und zentralsten Feierlichkeiten des Kirchenjahres. Seine Datierung wirkt für viele auf den ersten Blick rätselhaft, da es kein fixes Kalenderdatum besitzt. Die Ursache für diese Beweglichkeit liegt in einem komplexen Zusammenspiel astronomischer Zyklen, historisch-theologischer Entwicklungen und kirchlicher Festlegung.
Die lunisolare Struktur
Die Festlegung des Osterdatums folgt einem lunisolaren Prinzip, dabei spielen der Sonnen- als auch der Mondzyklus eine Rolle. Gemäss den im Jahr 325 n. Chr. auf dem Konzil von Nicäa beschlossenen Regeln fällt Ostern auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem kirchlich definierten Frühlingsbeginn (21. März)1. Damit wurde eine Orientierung an der natürlichen Jahreszeit gewahrt, zugleich aber ein einheitlicher Rahmen unabhängig vom jüdischen Kalender geschaffen.

Zur Berechnung des Osterdatums wird nicht der tatsächliche astronomische Vollmond herangezogen, sondern ein kalendarisch gerechneter («ekklestischer») Mondzyklus, der sich auf antike Modelle wie den Meton-Zyklus (hiess früher babylonischer 19-Jahres-Zyklus und ist nun nach Meton von Athen, einem Astronomen und Mathematiker des 5. Jahrhundert v.Chr. benannt) stützt2.
Die Verbindung zu Pessach
Ostern ist theologisch eng mit dem jüdischen Pessachfest verbunden, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert. Im Neuen Testament wird die Kreuzigung Jesu in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Pessach dargestellt (vgl. Markus 14,12–26). Die ersten Christen – ursprünglich meist Juden – orientierten sich daher in der Feier der Auferstehung an diesem Festkalender3.
Im Zuge der Abgrenzung vom Judentum und der Etablierung einer eigenständigen christlichen Identität entwickelte sich im 2. und 3. Jahrhundert jedoch der Wunsch nach einer eigenständigen Osterberechnung, was schliesslich zur Beschlussfassung des Nicäischen Konzils führte4.
Astronomische Grundlagen und der Osterzyklus
Die kirchliche Osterrechnung basiert auf einem Modell des Mondlaufs, das im sogenannten Meton-Zyklus (benannt nach dem griechischen Astronomen Meton, 5. Jh. v. Chr.) seinen Ursprung hat. Dieser Zyklus beschreibt, dass nach 19 Sonnenjahren die Mondphasen mit denen eines früheren Jahres nahezu übereinstimmen5. Die Kirche nutzte diesen Zusammenhang, um mithilfe von Tabellen und Regeln – darunter die sogenannte Goldene Zahl – den kirchlichen Vollmond für jedes Jahr zu berechnen.
Diese Regeln bilden zusammen mit dem Zyklus von 532 Jahren (Produkt aus dem 19-jährigen Meton-Zyklus und dem 28-jährigen Sonnenzyklus) die Grundlage für den sogenannten Osterzyklus6. Da Ostern im Zeitraum zwischen dem 22. März und dem 25. April liegen kann, beeinflusst es eine Vielzahl nachfolgender christlicher Festtage, etwa Christi Himmelfahrt (40 Tage nach Ostern), Pfingsten (50 Tage) oder Fronleichnam (60 Tage). Diese Abhängigkeit macht Ostern zum zentralen Ankerpunkt des beweglichen Festkalenders im Christentum7.
Im gregorianischen Kalender, der seit seiner Einführung im Jahr 1582 die Grundlage der westlichen Zeitrechnung bildet, wurde die Osterberechnung entsprechend angepasst – allerdings unter Beibehaltung der Grundstruktur aus der Antike.
Die Osterberechnung steht exemplarisch für das Zusammenwirken religiöser, astronomischer und historischer Systeme. Sie ist ein Ausdruck der menschlichen Bemühung, kosmische Rhythmen mit spirituellen Bedeutungen zu verbinden. In einer Zeit, in der viele Feiertage fixiert erscheinen, bleibt Ostern ein bewegliches Symbol für die Dynamik von Zeit, Glauben und Kultur.
Literatur:
Schmid, H. (2004). Kalendergeschichte: Die Entstehung des christlichen Festkalenders. München: Beck.
Blackburn, B. & Holford-Strevens, L. (1999). The Oxford Companion to the Year. Oxford University Press.
Finegan, J. (1998). Handbook of Biblical Chronology. Peabody: Hendrickson Publishers.
Kannengiesser, C. (2004). The Church of the Fathers: The Early Church and Its Theological Development. New York: Paulist Press.
Neugebauer, O. (1975). A History of Ancient Mathematical Astronomy. Berlin: Springer.
Mosshammer, A. A. (2008). The Easter Computus and the Origins of the Christian Era. Oxford University Press.
Holford-Strevens, L. (2005). The History of Time: A Very Short Introduction. Oxford University Press.