Einmal vor und einmal zurück…

Wir alle kennen es nur zu gut: Plötzlich wird wieder an der Uhr gedreht und unser Rhythmus gerät komplett aus den Fugen – einmal vor, einmal zurück. Doch woher kommt dieser Brauch und warum wird die Zeit eigentlich umgestellt?

In der Schweiz gibt es ein Zeitgesetz, dies stammt vom 21. März 1980 – also noch gar nicht so alt, wie man glauben könnte. Dort wird im Art. 1 festgehalten, dass in der Schweiz die mitteleuropäische Zeit herrscht und im Art. 2 wird die Sommerzeit festgelegt. Eine Winterzeit gibt es allerdings nicht, es wird nur zwischen Sommer- und Normalzeit gewechselt.

Die Einführung der mitteleuropäischen Zeit reicht ans Ende des 19. Jahrhunderts. Der Bundesrat und das Parlament haben sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen für eine Zeitregelung entschieden, die mit der Zeit der Nachbarstaaten übereinstimmt. Die Idee einer Sommerzeit kam auch im 19. Jahrhundert in Grossbritannien zum ersten Mal auf. Es wurde darüber referiert, ob so das Tageslicht durch die Zeitverschiebung länger genutzt werden konnte. Die Idee wurde aber vorerst nicht umgesetzt.

Die Basler Zeitinsel

Dazu erinnern wir uns, dass die Zeit nicht immer einheitlich war, sogar in der Schweiz gab es unterschiedliche Zeitmessungen: Für die Tageseinteilung blieb bis weit ins 19. und regional bis ins 20. Jahrhundert der Wechsel von Tag und Nacht und bei gutem Wetter der Sonnenstand bedeutend. Die mechanische Uhr kam zwar am Übergang vom 13. zum 14. Jahrhundert, aber nur im öffentlichen Raum. Basel besass um 1370 eine öffentliche mechanische Uhr. Diese wiederum wurde aber dennoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts mithilfe von Sonnenuhren gerichtet.

Wir teilen uns also anhand von Tag/Nacht und Sonnenstand die Zeit ein. Diese Einteilung beruht auf der Grundlage des mittelalterlichen Zeitsystems: Die römischen Temporalstunden, also zwölf Tages- und Nachtstunden, deren Länge im Lauf des Jahres variieren. Doch auch hier konnte die Zeit unterschiedlich wahrgenommen bzw. gezählt werden. Basel ging hier seinen eigenen Weg und als der Übergang von den kanonischen zu den 24 gleich langen Stunden im Spätmittelalter entstand, begann die Basler Zeit. In Basel wurden die Stunden nicht als abgelaufen, sondern als beginnende Stunden gezählt: Beim höchsten Stand der Sonne war es deshalb nicht 12 Uhr, sondern 13 Uhr. Die Uhren gingen also immer eine Stunde vor. Die sogenannte Basler Zeit schuf der Grosse Rat aber 1798 ab.

Dass diese unterschiedlichen Zeitsysteme nicht gut zusammen funktionieren war vorauszusehen. Zu diesem Faktor kamen noch die Industrialisierung, Urbanisierung sowie Verkehr und Kommunikation. Fabriken brauchten eine Arbeitszeit, Fahrpläne wollten vereinheitlicht werden. Doch die Zeitdifferenz zwischen dem östlichsten Punkt des Landes im Val Müstair und dem westlichsten im Kanton Genf betrug rund 18 Minuten. So wurde auch durch die internationalen Verflechtungen von Verkehr und Kommunikation im letzten Drittel des 19. Jahrhundert eine weltweite Vereinheitlichung der unterschiedlichen Einheits- und Landeszeiten angestrebt. Seit 1894 richtet sich die Schweiz nun einheitlich an das weltweite Zeitsystem.

Anzeigenvergleich der Uhren am Basler Münster Anfang November: Die Sonnenuhr (Basler Zeit) zeigt etwas mehr als halb zwei, die mechanische Uhr (MEZ) zeigt viertel vor eins. ©Von S.Wetzel
Postkarte zur Einführung der Sommerzeit in Deutschland am 30. April 1916. ©Deutsches Uhrenmuseum, Archiv, Inv. 100318.

Doch wie kam es nun zur Sommerzeit?

Für die Zeitumstellung waren der Erste und auch der Zweite Weltkrieg ausschlaggebend. Die betroffenen Länder wollten damit im Krieg Energie bei der Beleuchtung sparen. An der Spitze waren in Europa vor allem Deutschland und Österreich-Ungarn. Dort wurde 1916 die erste Sommerzeit eingeführt. Auch Frankreich und Grossbritannien zogen nach. 1919 wurde die Kriegsmassnahme in der Weimarer Republik wieder fallengelassen.

Erst beim Zweiten Weltkrieg wurde wieder darauf zurückgegriffen. In der Schweiz führte der Bundesrat per Vollmachtenbeschluss 1941 und 1942 die Sommerzeit ein, um Energie, vor allem Kohle, einzusparen. Doch das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen, weshalb 1943 hierzulande die Sommerzeit wieder gekippt wurde.

Der Aliierte Kontrollrat in Deutschland beschloss eine einheitliche Uhrenumstellung während der warmen Jahreszeit. Allerdings wurde diese auch 1949 wieder zurückgenommen. In den anderen Ländern war die Sommerzeit ebenfalls auf dem Rückzug.

Erst mit der Ölpreiskrise von 1973 kamen die Ideen einer Sommerzeit wieder auf den Tisch. Frankreich führte 1976 die Sommerzeit mit der Begründung des Sparens wieder ein. Doch für die anderen Staaten war die Integration und Harmonisierung des gemeinsamen Binnenmarktes der wichtigste Anlass. Dem ganzen Zeiten-Wirrwarr sollte ein Ende gesetzt werden. Ende der 70er-Jahren führten europäische Staaten nach und nach einen staatlich geregelten Zeitenwechsel ein. Schliesslich sollte es überall die gleiche Zeit sein.

Ab 1980 folgte auch die Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Die Verordnung galt für beide Staaten. Die Schweiz schloss sich dann 1981 (Zeitgesetz) an: Bis dahin war die Schweiz eine Zeitinsel in Europa. Christoph Blocher wollte zwar Mittels einer Volksinitiative im Jahr 1982 die Sommerzeit wieder abschaffen, es gelang ihm aber nicht.

Bis 1996 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der Europäischen Union vereinheitlicht. So galt folgendes: Sommerzeit von 1985 bis 1995 von Ende März bis Ende September, seit 1996 von Ende März bis Ende Oktober, mit Umstellung jeweils am Sonntag um 2:00 Uhr MEZ (1:00 Uhr UTC).

Wird es so bleiben?

Mittlerweile ist die Sommerzeit aber wieder höchst umstritten. Nationalrätin Yvette Estermann versuchte 2010 nochmal die Sommerzeit abzuschaffen, aber auch sie kam damit nicht durch. Es wurde 2012 durch den Nationalrat abgelehnt. Doch auch die weiteren Vorstösse in den Jahren 2012, 2016, 2017 und 2018 waren vergeblich.

In der EU wurde im September 2018 vorgeschlagen, dass der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit zu beenden sei. Dazu gab es auch gleich einen Entwurf einer Richtlinie. Die Anfrage kam nicht von irgendwoher, sondern es wurden EU-weite Umfragen gestartet, wie die Bevölkerung mit der Zeitumstellung umgehe. Viele Sprachen von gesundheitlichen Problemen, wie Schlafstörungen, Depressionen und Konzentrationsprobleme. Ganz zu schweigen von der Landwirtschaft, der Viehwirtschaft und andere Zweige, die unter dieser Umstellung leiden. 2018 wollten über 80% der Befragten gerne eine neue Zeitregelung.

So hat sich 2019 das EU-Parlament dafür ausgesprochen die Zeitumstellung im Jahr 2021 abzuschaffen. Dazu müssten sich aber die 27 EU-Mitgliedstaaten im Rat festlegen. Dies ist bis jetzt noch nicht geschehen. Der Prozess verzögert sich und die Welt wurde mit anderen Problemen konfrontiert (Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise usw.) Welche Zeit es dann am Ende sein würde, ob Normal- oder Sommerzeit, ist noch nicht festgelegt. Die Schweiz würde sich dann voraussichtlich den Ländern anschliessen, damit sie nicht wieder als Zeitinsel endet.

Somit wird also auch dieses Jahr am 30. Oktober 2022 die Zeit wieder umgestellt. Für alle, die digitale Uhren besitzen, ist dies nicht ganz so schlimm – ausser die Backofenuhr, die hat es bis heute noch nicht geschafft. Unsere Sammlung hingegen beherbergt aber rund 70 antike Pendulen, die alle von Hand aufgezogen und umgestellt werden müssen. Da dies einige Zeit in Anspruch nimmt, begann Sammler Andreas Ernst schon immer samstags mit der Umstellung und dies dauerte dann das gesamte Wochenende. Er lebte da sozusagen für eine kurze Spanne auf seiner kleinen Zeitinsel.