5. Amor & Psyche

Sammlung Andreas Ernst


Amor & Psyche

Paris, um 1810, Stil Empire
H: 54 cm x B: 38 cm x T: 18 cm

Uhrmacher: Le Roy à Paris, wahrscheinlich Etienne-Augustin,
fils de Charles Le Roy, 1737-1829.
Skulpteur: Die Gruppe folgt einem Entwurf von Claude Michallon (vgl. Ottomeyer/Pröschel, S.350)

Feuervergoldete und brünierte Bronze, Sockel und Gehäuse aus rotem Marmor, Pariser Werk, ½-Stundenschlag auf Glocke, Fadenaufhängung. 

Besonders schön treten bei dieser Pendule Amor und Psyche in Erscheinung, da sie sich durch ihre patinierte Bronze stark vom roten Marmor abheben. Die figürliche Darstellung spielt auf die Wiedervereinigung der Liebenden an. Ihre Liebesgeschichte lässt sich auch gut anhand der vergoldeten Verzierungen ablesen. Der Mythos, der dieser Pendule zu Grunde liegt, ist in der Antike verwurzelt und wird bis in die Gegenwart immer wieder neu interpretiert und belebt.

Die Plastik von Amor und Psyche richtet sich nach dem antiken Vorbild einer Statuengruppe aus dem Späthellenismus (wohl aus dem 2. Jhr. v. Chr., Bild rechts), die sich «kapitolinischer Kuss» nennt. Eine Nachbildung dieser steht im Musei Capitolini in Rom und zeigt ein Liebespaar, das sich einander zuwendet, um sich zu küssen. An der Gruppe dürfte sich wohl Claude Michallon (1752-1799) orientiert haben, als er die Vorlage für diese Pendule während der Zeit des Direktoriums schuf.

Michallon, der zunächst Zeichnen und dann Bildhauerei studierte, war in Paris und Italien bekannt für seine Kolossalstatuen für die Nationalfeiertage, aber auch für Maskarons im Louvre-Palast, Büsten und Marmorgruppen. Dazu gewann er einige Wettbewerbe und fertigte auch verschiedene erfolgreiche Pendeluhrmodelle an. Gerade seine «Amor und Psyche» erfreuten sich auf Grund ihrer Anmut grosser Beliebtheit und so schufen aus dieser Vorlage Pierre-Philippe Thomire (1751-1843), Pierre-Victor Ledure (1783-1840), und auch Lucien-François Feuchère (1750-1824), Sohn des bekannten Bronziers Jean-François Feuchère, einige bekannte Modelle. Ein paar Exemplare der Amor und Psyche Pendulen werden in renommierten Museen wie das Schloss Fontainebleau, dem Musée Marmottan-Monet, dem Hôtel de la Marine in Paris oder den königlichen Sammlungen in England aufbewahrt und gezeigt.

Der sogenannte «kapitolinischer Kuss». Die Statuengruppe zeigt Amor & Psyche nach einem griechischen Original aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. ©Musei Capitolini
Frontispiz von Niccolò da Correggios Psyche-Gedicht in der Ausgabe Venedig 1553.
Die Entführung der Psyche. Gemälde von William-Adolphe Bouguereau (1825-1905).

Der verbotene Anblick Amors

Im 17. und 18. Jahrhundert fand eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Antike statt. Man befasste sich mit deren Texten, die auch bildlich dargestellt wurden. So entstanden neue Interpretationen der alten Darstellungen und Mythen. Gerne wurden in der Zeit auch Studienaufenthalte in Italien, vor allem in Rom, durchgeführt. So wurden die Texte und Kunstgegenstände der Antike einer grösseren Leserschaft zugänglich.

Der Mythos, der als Grundlage der Pendule, bzw. des kapitolinischen Kusses, dient, beruht auf einer Erzählung aus den Metamorphosen des Autors Lucius Apuleius (geb. um 125 n. Chr.). Die Geschichte von Amor und Psyche ist in der Antike verwurzelt. Allerdings war die Darstellung des Gottes Amor (Eros) und Psyche schon im Hellenismus, lange Zeit vor den Metamorphosen, beliebt.

Die Hauptprotagonistin Psyche ist die jüngste und schönste der drei Töchtern eines unbekannten Königs. Sie überstrahlt in ihrer Schönheit sogar die Göttin Venus. Die Menschen verehrten nun mehr die Erdentochter und die Tempel der Venus blieben leer. Diese ruft daraufhin verärgert nach ihrem Sohn Amor und befiehlt ihm, dass er für Psyche ein niedriges Geschöpf aussucht, in das sie sich verlieben soll. Doch Amor verfällt selbst der schönen Psyche und lässt sie durch Zephyr, dem Herrn der Winde, in sein märchenhaftes Schloss bringen. Dort besucht er sie Nacht für Nacht, ohne dass sie ihn je zu Gesicht kriegt. Sie musste ihm versprechen, nie zu versuchen, ihn anzusehen, auch wenn die verruchte Neugier sie übermannen würde, sonst würde er sich von ihr trennen. Deshalb verlässt er sie stets vor der Morgenröte.

Psyche fühlt sich mit der Zeit einsam und Amor erlaubt einen Besuch ihrer Schwestern. Diese freuen sich zunächst, dass es Psyche gut geht, werden dann aber von Neid ob der glücklichen Beziehung der Zwei zerfressen. Sie reden ihr mit der Zeit ein, dass Amor ein Monster sei und sich deshalb vor ihr verberge. Obwohl Psyche mittlerweile von ihm schwanger ist, lässt sie sich verunsichern und missachtet das Verbot. In einer Nacht, als Amor schläft, entzündet sie eine Öllampe und nimmt sich ein Messer, um das Ungetüm gegebenenfalls zu töten. Doch stattdessen erblickt sie ihren wunderschönen Gemahl und merkt dabei nicht, wie ein Tropfen des heissen Öls auf seine Schulter fällt. Dieser erwacht und sieht, dass sie ihr Versprochen gebrochen hat. Daraufhin macht er seine Drohung war, fliegt davon und verlässt sie. Er geht zu seiner Mutter und seine Beziehung zu Psyche wird durch eine weisse Möwe verraten. So enterbt Venus ihn und entzieht ihm seine Waffen. Sie ist voller Zorn und bestraft Psyche.

Nach vier gefährlichen Prüfungen, die Psyche als Aufgabe von Venus erhalten hat, welche nur mit göttlicher Hilfe zu vollbringen sind, finden die beiden zueinander und ihre Liebe erblüht wieder. Denn bei der letzten Aufgabe soll Psyche die Büchse der Proserpina aus der Unterwelt besorgen und zu ihr bringen. Allerdings wird Psyche auf dem Rückweg von der Neugierde übermannt und sie öffnet die Büchse. Ein betäubender Nebel entsteigt daraus und sie fällt in einen todesähnlichen Schlaf. Amor verlässt daraufhin die Gemäuer seiner Mutter und weckt Psyche mit einem seiner Liebespfeile (Kuss) auf. 

Nachdem Amor die Büchse seiner Mutter übergeben hat, will er die Beziehung mit Psyche festigen und bittet Jupiter/Zeus, um Erlaubnis Psyche heiraten zu dürfen. Der Göttervater gibt dem Wunsch des jungen Paares nach und lässt Psyche Ambrosia trinken. So wird sie unsterblich, kommt in den Götterhimmel und gebiert dem Amor eine wunderschöne Tochter namens Voluptas (Wollust).

Bis heute faszinierend

Der Mythos dreht sich im Wesentlichen um den verbotenen Anblick Amors. Die Neugier Psyche’s führt dazu, dass sie qualvolle Aufgaben auf sich nehmen muss, um ihren Geliebten wieder zu sehen. Die Pendule zeigt das glückliche Ende der Leidensgeschichte: Amor und Psyche sind nicht länger an ein Verbot gefesselt und können ihre Liebe ausleben.

Die Geschichte ist in vielen Zeitaltern beliebt gewesen, sie beschäftigt nicht nur die Kunstwelt, sondern auch andere Bereiche wie Psychologie, Literatur und Philosophie. Sogar die Innenarchitektur wurde durch sie beeinflusst und in herrschaftlichen Häusern gab es ganze Räume, die diesem Thema gewidmet waren (siehe Bildstrecke oben). Der Höhepunkt einer solchen Raumgestaltung war die thematisch passende Pendule, die ihren Platz vorzugsweise auf einem Kamin mit Spiegel im Hintergrund, fand. 

Literatur:
  • Elke Niehüser, «Die französische Bronzeuhr», 1997, S. 105 Das Märchen von Amor und Psyche mit Bild 169, S. 210, Abbildung 270.
  • Hans Ottomeyer & Peter Pröschel, «Vergoldete Bronzen. Die Bronzearbeiten des Spätbarocks und Klassizismus.»
    München, 1986, vol. 1, S. 350, pl 5.7.1 und S. 669.
  • Pierre Kjellberg, «Encyclopédie de la Pendule Française du Moyen Age au XXe siècle», Paris, 1997, S. 402.
  • Jean-Pierre Samoyault, «Pendules et Bronzes d’Ameublement Entrés Sous le Premier Empire», 1989, S. 56, pl. 12.