1. L’Amitié couvrant les heures

Sammlung Andreas Ernst

 


L’Amitié couvrant les heures

 

Paris, um 1806-1815, Stil Empire
H: 70 cm x B: 40 cm x T: 26 cm

Uhrmacher: Robin à Paris (ca. 1810-1830)
Bronzier: Claude Galle (1759-1815, maître bronzier (ab 1786)) und sein Sohn Gérard Jean

Feuervergoldete und brünierte Bronze, Sockel aus «Vert du Mer» Marmor, Pariser Werk, ½-Stundenschlag auf Glocke, Fadenaufhängung, Zifferblatt dreht sich (cercle tournant).

Die Pendule besticht auf den ersten Blick durch ihr verhülltes Zifferblatt. Der Betrachter ist irritiert und versteht zuerst nicht, wie die Uhrzeit abzulesen ist. Danach wandert der Blick über das schöne feuervergoldete Tuch – gehalten in den Händen einer jungen Dame im antiken Gewand. Sie selbst ist aus brünierter Bronze gefertigt.

Über diese Pendule bestehen unterschiedliche Aufzeichnungen, die schon zu Verwechslungen geführt haben. Im Inventar von Claude Galle wurden nach dessen Tod 1815 zwei Modelle erwähnt: Eine «pendule grande cacheuse d’heures, prisée 250 francs» und eine «pendule petite cacheuse d’heures, prisée 150 francs».

Das grosse Modell wurde durch einen 1819 von Louis Sébastien Le Normand veröffentlichten Stich eindeutig identifiziert. Dadurch wissen wir, dass es sich dabei, um die Figur der Amitié, also Freundschaft, handelt. Diese präsentierte Claude Galle 1806 an der vierten Ausstellung «des produits de l’industrie française» und gewann mit ihr den zweiten Platz, also eine Silbermedaille. Sie wurde dort unter dem Namen «L’Amitié couvrant les heures» vorgestellt. Dieses Modell steht heute im Musée Marmottan und ist 70 cm gross. Sie entspricht unserem Modell in der Sammlung Andreas Ernst.

Im Jahr 1819, bei einer weiteren Ausstellung, wo eine solche Uhr aber mit anderen Massen ausgestellt war, berichtet der Sohn von Claude Galle, Gérard-Jean Galle (1788-1846): «Une pendule cacheuse d’heures. La figure de l’amitié cache avec son voile le cadran placé dans une borne en griotte d‘ Italie; le cadran laisse voir par un léger interval les heures placée sur un cercle tournant et qu’indique une aiguille qui reste immobile; les socle de cette pendule sonst en griotte, H. 20 pouces. larg. 11 pouces. Prof. 7 pouces 1/2…. (sind 54,1 cm, 27,8 cm, 20,3 cm). Cette pendule dont l’idée a paru agréable et ingénieuse a valu à Mr. Galle père le 2e Prix du concours 1806.» Hierbei handelte es sich um die kleine Variante des Modells. Die Masse lassen sich der Pendule zuordnen, die am 3. Dezember 1989 in Monaco über Christie’s verkauft wurde (siehe Bild unterhalb des Textes).

Der Original-Stich zur Uhr. Die Pendule wurde 1806 an der Ausstellung «des produits de l'industrie française» präsentiert. Claude Galle hat damit den zweiten Preis, also die Silbermedaille, erhalten.
La Petite Cacheuse d'Heures, 1811.

Wie im Text beschrieben verhüllt die Freundschaft die Zeit. Das Zifferblatt dreht sich hier, während der Zeiger unbeweglich bleibt. Das Blatt dreht von links nach rechts und die Stunden sind in römischen Ziffern angegeben. Die Minuten sind nur durch die Striche erkennbar: Feine kurze für alle fünf Minuten, dicke kurze für die Viertelstunden und ein längerer dicker für die Halbestunde.  

Ein solches Schmuckstück stand bestimmt gerne in einem grossen schönen Salon, wo man wahrlich mit seinen Freunden gerne die Zeit vergisst. Natürlich kann man die Uhr auch so lesen, dass man davon ausgehen kann, dass eine gute Freundschaft auch die Zeit überdauert oder ein weiteres Phänomen unter Freunden ist, auch wenn man sich ewig nicht mehr gesehen hat, kommt es einem bei einem Treffen wieder so vor, als wäre es doch erst gestern gewesen.

Einen anderen Ansatz zur Interpretation zur Entstehung zu solch Zeit verbergenden Modellen liefert uns das Journal des dames et des modes vom 20. März 1811: «Das kalte und lästige Bild der Stundenfolge wäre ein trauriges Objekt in unseren Wohnzimmern; daher haben viele neue Uhren kein sichtbares Zifferblatt mehr…»

Ein seltenes Modell?

Das Modell scheint sehr beliebt gewesen zu sein, aber erhalten sind wohl nur noch wenige – zumindest soweit es nachzuvollziehen ist. Vieles bleibt wohl in nicht zugänglichen Privatsammlungen verborgen. Ein exakt gleiches Modell, wie unseres, befindet sich in der Eremitage in Sankt Petersburg. Die Amitié ist auch von Robin à Paris und sieht identisch aus. Leider ist irgendwann der Marmorsockel der Pendule verloren gegangen. Im Uhrenkatalog der Eremitage von 1971 sieht man die komplette Uhr noch. Wo und wie der Sockel verschwunden ist, weiss niemand.

Vier weitere Ausführungen sind noch bekannt: Eine mit Signatur GALLE gehörte dem Uhrenhändler Gavin Douglas aus London (dies ist die Uhr aus dem TARDY),  eine ist im Musée Marmottan Paris (Signatur: BAILLY), eine steht im Museum Massena in Nizza (Signatur: ?) , eine weitere erschien auf einer Auktion bei Bukowskis Stockholm (Signatur: RAVRIO). Damit haben wir insgesamt sechs gleiche Modelle, es dürften aber wahrscheinlich noch mehr sein

Die Amitié von Sankt Petersburg aus dem Katalog von 1971 mitsamt Sockel.
Ein aktuelles Bild der Amitié ohne Sockel in der Eremitage von Sankt Petersburg.
Das Modell von Bailly (1780-1821) im Marmottan.©Musée Marmottan Paris

Literatur:

  • Tardy, «La Pendule Française», 2ème Partie: Du Louis XVI à nos jours. 1969, S. 387, Fotografie einer gleichaussehenden Pendule.
  • Elke Niehüser, «Die französische Bronzeuhr», 1997, S. 230, Abbildungen 653 + 654.
  • Efimova: Katalog Eremitage von 1971, Abbildung 150.
  • Hektor Lefuel, «Catalogue du Musée Marmottan», Paris, 1934, S. 87, Nr. 316.
  • Ernest Dumonthier, «Les Bronzes du mobilier national. Pendules et cartels.» Paris, S. 17, pl 38 Nr. 2.
  • Hans Ottomeyer & Peter Pröschel, «Vergoldete Bronzen. Die Bronzearbeiten des Spätbarocks und Klassizismus.»
    München, 1986, vol. 1, S. 368-369.
  • Bernard Chevallier, Claude Seguin, «La Mesure du temps. dans les collections du Musée de Malmaison», Paris, 1991. S. 17-18, Abschnitt 9, Bild 9a.
  • Denise Ledoux-Lebard, «meubles et ensemble», 1986, pp. 710, 718.
  • Jean-Dominique Augarde, «Bronzes et bronziers sous le Directoire et l’Empire», Aufsatz in der Zeitschrift L’Estampille/L’Objet d’Art, Nr. 398, Januar 2005, S. 62-85. Abb. 26,27 S. 80.
  • Le Normand et Moléon, «Description des Expositions des produits de l’industrie française faites à Paris depuis leur origine jusqu’à celle de 1819 inclusivement», Paris, 1824.